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Monetäre Anreize

Den Lohn von Pflegekräften zu erhöhen ist teuer und scheint vielen Einrichtungen mangels Refinanzierung nicht möglich.

Neben dem Arbeitslohn selbst sind aber auch zahlreiche, niedrigschwelligere und weniger kostenintensive monetäre oder sachliche Anreize denkbar, die das Anwerben und Halten von Pflegekräften begünstigen können.

Darüber hinaus sind die Wechselwirkungen zwischen der Leistungsvergütung und Entlohnung von Pflegekräften und der Pflegequalität in Deutschland umstritten. Entsprechende Modellprojekte, die alternative Entlohnungsformen anwenden, gibt es kaum.

Die Pflegequalität spielt jedoch im Berufsethos vieler Pflegender eine bedeutsame Rolle und kann somit einen wertvollen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten.

Zentrale
Projektergebnisse

  • Es gibt viele monetäre und sachliche Anreize für Pflegekräfte, die Einrichtungen als „eher“ oder „sehr erfolgreich“ einschätzen für die Anwerbung und Bindung von Pflegekräften (dunkelblaue Linie in der Abbildung).
  • Lediglich Firmenwägen und Begrüßungsprämien werden vergleichsweise selten als erfolgreich eingeschätzt.
  • Allerdings wenden deutlich weniger Einrichtungen die erfolgreich eingeschätzten Maßnahmen auch selbst an (hellblaue, braune und beige Linie in der Abbildung).
  • Vor allem die regelmäßige Anwendung bleibt weit hinter dem Potenzial zurück (beige Linie in der Abbildung).
  • Als Problem bei der Umsetzung der Maßnahmen wird in Gesprächen mit Einrichtungen in erster Linie die schwierige (Re-)Finanzierungssituation genannt.
  • Fallbeispiele zeigen jedoch: Einigen Einrichtungen gelingt es trotzdem, Ressourcen für solche Maßnahmen zu mobilisieren.
  • Manche gestalten dafür die internen Verwaltungsprozesse effizienter und verzichten dabei – im Rahmen des Erlaubten – auf nicht notwendige und nicht hilfreiche Arbeitsschritte.
  • Andere verwenden hauptsächlich refinanzierte Sonderleistungen aus dem Tarifvertrag.
  • Manche erhöhen auch den Pflegesatz zu Lasten der Bewohner*innen.
  • Ferner kann die Art und Weise der Refinanzierung der Leistungen von Pflegekräften Auswirkungen auf die Pflegequalität haben. Diese wiederum ist ein wichtiger Faktor für beruflich Pflegende.
  • Die Art der Refinanzierung pflegerischer Leistungen unterscheidet sich zwischen den pflegerischen Settings und setzt mehr oder weniger starke Effizienzanreize für die Einrichtungen (ambulante Pflege: meist Abrechnung anhand eines Leistungskatalogs, stationäre Langzeitpflege: pauschalierte Refinanzierung gestaffelt nach Pflegegraden, Akutpflege: Abrechnung der Pflegeleistungen über ein eigenes Budget abseits der DRGs, die sog. aG-DRGs).
  • Studien zu möglichen Auswirkungen der Art der Refinanzierung auf die Pflegequalität deuten oft, aber nicht ausschließlich, auf eine Verbesserung der Pflegequalität im Zuge einer zeitorientierten Leistungsvergütung hin [1] [2] [3] [4].

Abbildung: Erfolgseinschätzung und Anwendung
von materiellen Anreizen zur Rekrutierung von Pflegepersonal
(in Prozent)

Information zur Abbildung

Erläuterung: Erfolgseinschätzung und Häufigkeit der Anwendung in Form eines Netzdiagrammes.

Lesebeispiel: Zwischen Erfolgseinschätzung und der akkumulierten Anwendung (sowohl vereinzelt als auch regelmäßig) zeigt sich für die Maßnahmen individuelle Leistungszulagen, übertarifliche Entlohnung, außertarifliche Sondervergütung, leistungsabhängige Sachleistung und Fahrtkostenzuschüsse eine deutliche Abweichung.

Quelle: Ergebnisse der Befragung von Pflegeunternehmen, RWU; Darstellung IAW.

Handlungsempfehlungen
& -beispiele

– Einrichtungen –

  • Denken Sie über den Einsatz zusätzlicher monetärer Anreize für die Gewinnung und das Halten von Pflegekräften in Ihrer Einrichtung nach.
    Beispiele können sein: übertarifliche Entlohnung, Individuelle Leistungszulagen, Sondervergütungen, leistungsabhängige Sachleistungen, Fahrtkostenzuschüsse, Erstattung von Parkgebühren, eine warme Mahlzeit für die Mitarbeiter*innen u. v. m.

    • Halten Sie solche Maßnahmen auch für Ihre Einrichtung erfolgversprechend oder nicht? Aus welchen Gründen? Wie lassen sich diese Hindernisse beseitigen?
    • Setzen Sie bereits einige der von Ihnen als erfolgversprechend eingeschätzten Anreize ein? Warum? Warum nicht? Wie lassen sich diese Hindernisse beseitigen?
  • Prüfen Sie ggf., ob es in dem für Ihre Einrichtung gültigen Tarifvertrag neben dem Lohn weitere (monetäre) Möglichkeiten gibt, um Pflegekräfte für Ihre Einrichtung zu gewinnen und zu halten. Möglicherweise lassen sich diese refinanzieren.
  • Suchen Sie das Gespräch mit anderen Einrichtungen und schlagen Sie einen Erfahrungsaustausch vor. Netzwerken Sie und lernen Sie voneinander. Andere Einrichtungen haben dieselben Probleme, gehen aber vielleicht anders damit um. Oft ergibt sich daraus eine Win-Win-Situation, sodass alle Beteiligten vom Austausch profitieren.
  • Nehmen Sie das Gespräch mit Arbeitnehmer*innenvertretungen und Gewerkschaften auf. Diese befassen sich vornehmlich mit den Anliegen der Arbeitnehmer*innen und deren Präferenzen für Arbeitseigenschaften – und wonach sich diese unterscheiden. Sie können eine Quelle für Hinweise darauf sein, welche Anreize in Ihrem Fall zielführend sind.
  • Werden Sie Teil eines bereits existenten Netzwerks. Nutzen Sie die dort vorgehaltenen Ressourcen und initiieren Sie ggf. einen Erfahrungsaustausch zu neuen Themen. Eine Liste von Netzwerken für die Pflege finden Sie unten auf dieser Seite.
  • Sprechen Sie mit Ihrer Kommune und erörtern Sie Möglichkeiten, wie diese Sie unterstützen kann, um die Arbeit in der Pflege attraktiver zu machen. Ihre Kommune kann z.B. die lokale Parksituation, Wohnsituation, und Pendelsituation maßgeblich beeinflussen. Die Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen ist auch eine kommunale Aufgabe.

 

– Berufsverbände, Pflegekammern –

  • Informieren Sie über bestehende Netzwerke für die Pflege und fördern Sie den Auf- und Ausbau von informellen und formellen Netzwerken für den Erfahrungsaustausch zwischen Pflegeinrichtungen. Formellere Netzwerke können Anliegen besser nach außen transportieren und etwa gegenüber der (Lokal-)Politik und den Kostenträgern besser argumentieren.
  • Initiieren Sie eine systematische Erforschung der tatsächlichen anstelle der mutmaßlichen Wirkung (monetärer) Anreize auf das Gewinnen und Halten von Pflegekräften.

– Forschung, Politik –

  • Erforschen und überdenken Sie die Wirkung verschiedener Modelle der Leistungsvergütung und Entlohnung auf die Pflegequalität:
    • Wie wirkt in der ambulanten Pflege eine Refinanzierung von Pflegekräften nach Stunden anstelle von Leistungskatalogen auf die Pflegequalität? Modellprojekte hierzu (Buurtzorg, Autonome ambulante Pflegeteams) finden sich in unserer Projektdatenbank.
    • Wie würde sich in der stationären Langzeitpflege die Refinanzierung der Pflegekräfte auf Stundenbasis anstelle der Pauschalen für die Pflegegrade auf die Pflegequalität auswirken? Wie wirkt sich die Herauslösung der Pflegekosten aus den Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRGs) im akutstationären Bereich auf die Pflegequalität aus?

Weiterführende
Informationen

In Deutschland gibt es zahlreiche Netzwerke von Pflegeeinrichtungen, welche sich mit dem medizinischen Umgang von bestimmten Pflegefällen beschäftigen. Außerdem existieren viele Netzwerke für pflegende Angehörige oder Pflegebedürftige.

Insgesamt gibt es in Deutschland jedoch nur sehr wenige Netzwerke von Pflegeeinrichtungen, die etwa das Ziel verfolgen durch den Austausch von Ideen und Erfahrungen rund um das Themenfeld Entlohnung von Pflegekräften bzw. zusätzliche Lohnbestandteile

  • Kosten einzusparen,
  • die Attraktivität des Pflegeberufs und der Arbeit vor Ort zu erhöhen,
  • Beispiele guter Praxis zu identifizieren und
  • dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Auch das Austauschpotential von Social-Media-Kanälen wird augenscheinlich nur in sehr geringem Maße genutzt. Zwar existieren zahlreiche Facebook-Gruppen für den Erfahrungsaustausch zwischen Pfleger*innen, wobei manche mehr als 70.000 Mitglieder zählen. Hingegen tauschen sich Pflegeeinrichtungen nur selten auf diesem Wege über ihre Ideen und Erfahrungen aus. Zwar nutzen viele Einrichtungen soziale Plattformen, um potenzielle Arbeitnehmer*innen über ihre vakanten Stellen zu informieren, jedoch treten sie selten mit anderen Einrichtungen in Kontakt.

Das größte Netzwerk in diesem Zusammenhang ist das bundesweite Pflegenetzwerk Deutschland, welches auch Zusammenarbeit zwischen lokalen Akteuren fördert. Daneben gibt es in Deutschland sehr wenige Netzwerke dieser Art. Diese sind untenstehend aufgelistet. Vielleicht liegt ja eines in Ihrer Nähe? Falls nicht, lohnt vielleicht ein Blick auf deren Internetseiten. Oder aber Sie gründen Ihr eigenes Netzwerk?

Pflegenetzwerk-Deutschland
  • Website: https://pflegenetzwerk-deutschland.de/
  • Initiator: Bundesministerium für Gesundheit
  • Region: Bundesweit
  • Mitglieder: Menschen, die in der und für die Pflege arbeiten
  • Mitgliederzahl: 800
  • Ziel: Information und Austausch von Ideen und Erfahrungen zwischen Pflegekräften, Pflegeleiter*innen, Wissenschaft und Forschung und der Politik
  • Themen: Grundsätzlich eigene Themensetzung, besonders aber Arbeitsbedingungen; Umsetzung der Pflege; Förderprogramme zu mehr Personal, bessere Arbeitsbedingungen, regionale Zusammenarbeit; Pflegeausbildung; Regionale Netzwerke; Zusammenarbeit im Team
  • Umsetzung: Plattform für die Vernetzung und Austausch durch Online-Praxisdialoge; Video-Interviews mit Expert*innen; Praxisinterviews und Erfahrungsberichte; Mails über aktuelle Pflegethemen Praxisbeispiele und -lösungen; Informationen über verschiedene Social-Media-Kanäle; Förderung von regionalen Austauschformaten, informiert hierfür über die Gründung von Pflegenetzwerken
  • Aktion in Bezug auf den Fachkräftemangel in der Pflege: „Mehr Pflegekraft“. Ideen und Erfahrungen von Pflegekräften wurden ausgewertet und im Pflegenetzwerk vertieft, diskutiert und praxisnah weiterentwickelt

 

Netzwerk Pflege Kreis Höxter
  • Website: https://pflegeberatung.kreis-hoexter.de/netzwerke/netzwerk-pflege/738.Netzwerk-Pflege.html
  • Region: Kreis Höxter (NRW)
  • Mitglieder: alle an der Pflege und Betreuung beteiligte Akteure im Kreis Höxter
  • Ziele: Vernetzung und Koordination zwischen Pflegeeinrichtungen; Öffentlichkeitsarbeit; Pflegeberufe attraktiver gestalten; Bürokratie abbauen; Strategien gegen den Fachkräftemangel entwickeln
  • Umsetzung: 2 Sitzungen pro Jahr, Arbeitsgruppen

Diakonie Netzwerk Pflege
  • Website: https://www.diakonienetzwerk-pflege.de/
  • Initiator: Diakonisches Werk evangelischer Kirchen in Niedersachsen e.V.
  • Region: Niedersachsen
  • Mitglieder: Einrichtungen und Dienste der ambulanten und stationären Altenpflege der Diakonie in Niedersachsen
  • Mitgliederzahl: 100 rechtlich selbstständige Träger mit 150 ambulanten Diensten und stationären Einrichtungen
  • Ziele: Entwicklung von gemeinsamen Standards durch Austausch, Fortbildungen und Modellprojekten
  • Themen: Gemeinsame Entwicklung von Standards, Strukturen, Instrumenten; Verbesserung Wirtschaftlichkeit und fachliche Qualität; Workshops zu Planung, Steuerung, Organisation; Kooperationen
  • Aktion in Bezug auf den Fachkräftemangel in der Pflege: „Personalgewinnung mit digitaler Kommunikation – Wie Social Media, Google und eine Karriereseite beim Recruiting unterstützen“

Praxisbeispiele

Buurtzorg-Projekt, Autonome ambulante Pflegeteams finden sich in unserer  Projektdatenbank.

Literaturangaben

[1] Büscher, A.; Budroni, H.; Hartenstein, A.; Holle, B.; Vosseler, B. (2007):
Vergütungsfragen der häuslichen Pflege.
Gesundheits-und Sozialpolitik 61.9/10: 26-34.

[2] Klauber, J.; Geraedts, M.; Friedrich, J.; Wasem, J.; Beivers, A. (2020):
Krankenhaus-Report 2020: Finanzierung und Vergütung am Scheideweg.
Springer Nature.

[3] Klein, F. (2021):
Qualität trotz wirtschaftlichem Druck.
Im Fokus Onkologie 24.3: 64-66.

[4] Slotala, L. (2011):
Ökonomisierung der ambulanten Pflege: Eine Analyse der wirtschaftlichen Bedingungen und deren Folgen für die Versorgungspraxis ambulanter Pflegedienste.
Springer-Verlag.