Aufgabenverteilung
Die von uns befragten Leitungskräfte sehen im Einsatz von pflegeentlastendem Assistenzpersonal großes Potenzial, z. B. durch Dokumentationsassistenten. Dennoch hat ein breiter Qualifikationsmix in der Pflege nicht nur Vorteile. Insbesondere die Zusammenarbeit mit niedrigeren Qualifikationsstufen wird teilweise von Pflegefachkräften kritisch gesehen, da durch z. B. Pflegehelfer*innen nicht unbedingt eine gewünschte Arbeitsentlastung eintrete. Es bestehen zudem Befürchtungen, dass der Pflegeprozess fragmentiert wird und damit der ganzheitliche Pflegeanspruch verloren gehen könnte. Dazu gehört die Sorge um den Verlust von Kontrolle und die Verantwortung für den vollständigen Pflegeprozess. In diesem Zusammenhang bestehe zudem die Gefahr vor Deprofessionalisierung und dass eine Veränderung des Aufgabenprofils zu einer Verschlechterung der Pflegequalität führen könnte. In den von uns befragten Einrichtungen scheint es auch noch Potenzial hinsichtlich der Etablierung von Tätigkeitsbereichen für hochschulisch qualifizierten Pflegefachpersonen zu geben.
Zu erkennen ist ein Dilemma zwischen dem Wunsch nach akademisch ausgebildeten Pflegefachpersonen am Patientenbett und den Leitungspositionen. Letzteres scheint bislang eher der „Standardeinsatzort“ für Pflegefachpersonen mit Hochschulabschluss zu sein. Infolgedessen profitieren die direkte Pflege und die Pflegebedürftigen immer noch auffallend wenig von den inzwischen vorhandenen pflegerischen Kompetenzzuwächsen.
Die Zusammensetzung der Qualifikationsgruppen in der Pflege unterscheidet sich stark zwischen den einzelnen Pflegeeinrichtungen. Im langzeitstationären Setting ist der Anteil des un-/angelernten Personals bzw. Pflegehelfer*innen am höchsten. Ein Qualifikationsmix (Zusammenarbeit verschiedener Qualifikationen im Pflegeteam und Stellenbeschreibungen) wird von Leitungspersonen/Personalverantwortlichen insgesamt als hilfreich für die Fachkräftesicherung genannt.
Auch eine Erweiterung des pflegerischen Tätigkeitsspektrums (z. B. die Aufgabenneuverteilung zwischen Medizin und Pflege) bewerten sie eher positiv. Einerseits gilt die Verantwortungsübernahme als Motivator, andererseits berichten Pflegekräfte aber auch von einer Belastung durch die große Menge an verantwortlichen Tätigkeiten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn bei Pflegekräften das Gefühl entsteht, alleinig Verantwortung zu tragen – z. B. wenn sie die einzige Pflegefachperson auf einer Station sind. Entlastung schaffen neben dem Einsatz weiterer qualifizierter Kolleginnen und Kollegen vor allem Qualifizierungsmaßnahmen.
Zentrale Projektergebnisse
- Es gibt in den einzelnen Einrichtungen Unterschiede zwischen den qualifikatorischen Zusammensetzungen des Pflegepersonals.
- Im Durchschnitt setzt sich der Personalbestand in den befragten Einrichtungen aus der Region Bodensee-Oberschwaben aus 10,3 % höher qualifiziertem Pflegepersonal, 52,4 % examinierten Pflegefachpersonen, 8,6 % Pflegehelfer*innen, 7,4 % Auszubildenden und 21,4 % un-/angelerntem Personal zusammen.
- Der Anteil des un-/angelernten Personals bzw. Pflegehelfer*innen ist mit 43,3 % im langzeitstationären Setting am höchsten.
- Respektvolle, multiprofessionelle Zusammenarbeit wird als Erfolgsfaktor genannt. Unter anderem deshalb gelingt es einzelnen Einrichtungen besser als anderen, ihren Fachkräftebedarf zu decken.
(Datenbasis: verschränkte Verbundergebnisse; prozentuale Angaben: * RWU-Unternehmensbefragung, N = 211)
Handlungs-
empfehlungen
- Um die Grundlage für eine transparente, nachvollziehbare Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Qualifikationsgruppen zu schaffen, definieren Sie Ihren einrichtungsspezifischen Qualifikationsmix.
- Planen Sie den Einsatz von Hilfskräften transparent und strukturiert vor dem Hintergrund eines einrichtungsspezifischen strategischen Konzepts.
- Etablieren Sie für „neue‟ Qualifikationsgruppen – wie hochschulisch qualifizierte Pflegefachpersonen – Tätigkeitsbereiche auch im patientennahen Bereich.
- Prüfen und gleichen Sie mit Ihren Mitarbeitenden die Aufgabenbereiche und Qualifikationen in den regelmäßigen Mitarbeiter*innengesprächen ab.
Projektbezogene Publikation
- Riedlinger, I.; Boscher, C.; Lämmel, N.; Reiber, L.; Winter M. H.-J.; Reiber K. (i. E.):
Multiprofessionelle Teamarbeit in der Pflege in Zeiten von Fachkräftemangel und professionsimmanenten Umbrüchen.
In Weimann-Sandig (Hrsg.): Handbuch “Multiprofessionelle Teamarbeit in den Sozialen Dienstleistungsberufen”. Wiesbaden: Springer.
Weiterführende
Informationen
Praxisbeispiel
Die Stadt München beauftragte 2012 das städtische Sozialreferat mit einer „Qualitätsoffensive stationäre Altenpflege/Primary Nursing in der Langzeitpflege‟. Im Rahmen eines Modellprojekts wurde zwischen 2015 und 2019 in zwei Einrichtungen der langzeitstationären Pflege das Organisationssystem des Primary Nursing eingeführt und erprobt. Wissenschaftlich wurde das Projekt von der Katholischen Stiftungshochschule München begleitet. Den Projektbericht finden Sie hier. Weitere Praxisprojekte zum Themengebiet Aufgabenverteilung finden Sie in unserer Projektdatenbank.
Linksammlung
- Robert Bosch Stiftung:
360° Pflege – Qualifikationsmix für den Patienten.
Stuttgart: Robert Bosch Stiftung GmbH. - DBfK (2016):
Position des DBfK zum Einsatz von primärqualifizierten Bachelor of Nursing in der Pflegepraxis.
Berlin: Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe e. V. - Darmann-Finck, I.; Reuschenbach, B. (2018):
Qualität und Qualifikation: Schwerpunkt Akademisierung der Pflege.
In: Jacobs, K., Kuhlmey, A.; Greß, S.; Klauber, J.; Schwinger, A. (Hg.) Pflege-Report 2018. Berlin: Springer